Projektbericht 2021 mit Rückschau auf das Jahr 2020
Im Jahr 2020 hatte ich die Projektarbeit vor Ort in LOKOMASSAMA wie in den Jahren vorher üblich Ende des Monats Januar begonnen. CORONA war damals in SIERRA LEONE überhaupt kein Thema. Doch einige Zeit später ließen entsprechende Nachrichten aus Europa und den USA aufhorchen und Interessierte konnten über Internet und andere Medien mehr Details erfahren. Und man machte sich nun besonders auch darüber Gedanken, dass bei einer Verschlechterung der CORONA-Lage in SIERRA LEONE nicht mehr die Hilfe aus dem hauptsächlich westlichen Ausland zu erwarten ist, wie sie noch im Jahr 2015 bei EBOLA erfolgte.
Inzwischen hatte sich die CORONA-Lage im März 2020 weltweit dramatisch verschlechtert. Vom Auswärtigen Amt in Deutschland wurden daher für viele Touristengebiete Rückholflüge organisiert und erfolgreich durchgeführt. Mit einem dieser Flüge konnte ich am 5.4.2020 nach Brüssel ausfliegen und weiter mit der Bahn dann nach Deutschland gelangen.
Ich hatte meinen Aufenthalt in LOKOMASSAMA früher als geplant abgebrochen. Die Arbeiten an den Brunnen hatten wir schon einige Zeit vorher eingestellt und die Brunnenbauer zur Unterstützung bei den Arbeiten an der Gesundheitsstation im Dorf BUNDULAI abgestellt. Ich hatte die beiden CORD-Ältesten, Dauda MANSARAY und Alie KAMARA, noch angewiesen, auf jeden Fall auf beiden Hauptgebäuden der Station, dem Behandlungszentrum und dem Wohnhaus, mit dem bereits angelieferten Material die Dächer zu installieren. Die Arbeiten wurden kurz nach meiner Abreise durchgeführt und so wurde verhindert, dass die Bausubstanz der im Rohbau stehenden Gebäude durch die kommenden heftigen Tropenregen geschädigt wurde. Eine Nutzung der Gebäude im Rahmen der Gesundheitsversorgung war aber noch nicht möglich. Die beiden Krankenschwestern mussten weiterhin in der bisherigen alten aus Lehm gebauten Station ihre Arbeit verrichten und diese gleichzeitig auch als Unterkunft nutzen.
Die baulichen Zustände der bereits seit vielen Jahren genutzten alten Station waren vollkommen unzureichend. Die überwiegend durchgerosteten Dachbleche gaben keinen Schutz während der langen Regenzeit. Lehmwände waren aufgeweicht und teilweise gebrochen. Die Arbeitsbedingungen wurden durch extreme hygienische Mängel erschwert.
Der Vorstand des HfL e.V. hat daher in der ersten Hälfte des Jahres 2021 beschlossen, die Arbeiten zur Fertigstellung der Station wieder aufzunehmen und von Deutschland aus zu steuern. Zur Unterstützung der beiden CORD-Ältesten sollte für eine zeitlich begrenzte Dauer zusätzlich ein kompetenter und zuverlässiger Mitarbeiter als Koordinator und für mich als Kontaktperson eingesetzt werden.
Auf meinen Vorschlag hin wurde Anthony NGEGBAI ausgewählt, der wie nachfolgend beschrieben die notwendigen Voraussetzungen verbunden mit einer langjährigen Verbindung zum HfL e.V. aufweist.
Er wurde 1972 in SIERRA LEONE geboren. Nach abgeschlossener Schulausbildung und Ausbildung an einem Polytechnikum hat er von 1992 bis 1995 in der Ausbildungswerkstatt der halbstaatlichen Road Transport Corporation (RTC) die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen.
Diese Ausbildungswerkstatt war beginnend im Jahr 1975 von meinem Bruder F.W. Stede im Rahmen eines deutschen Entwicklungshilfe-Projekts mit aufgebaut worden. Danach hat er sie auch einige Jahre geleitet. 1990 übernahm er zusätzlich für den HfL e.V. die Aufgaben eines Projektkoordinators für das Brunnenbau-Projekt in LOKOMASSAMA.
Anthony NGEGBAI hat von 1995 bis 1998 bei der RTC als Ausbilder gearbeitet und er
wurde gleichzeitig vom damaligen HfL-Projektkoordinator F.W. Stede wegen seiner besonderen handwerklichen und organisatorischen Fähigkeiten auch für die Vorbereitung und Durchführung von Teilbereichen der Projektarbeit in LOKOMASSAMA eingesetzt.
Nach dem Tod von F.W. Stede im Mai 1997 und während des anschließenden Bürgerkrieges in Sierra Leone hat Anthony NGEGBAI die noch auf dem Gelände der RTC gelagerten und dem HfL e.V. gehörenden Werkzeuge und Geräte eigenverantwortlich verwaltet, vor Diebstahl gesichert und später an mich übergeben.
Ab dem Jahr 1998 hatte ich offiziell die Aufgaben des Projektkoordinators vor Ort in LOKOMASSAMA jeweils für mehrere Monate im Jahr übernommen. Seit Beginn nutze ich bis heute bei meinen Aufenthalten in SIERRA LEONE persönliche Unterstützung, Unterkunft und Lagermöglichkeiten bei der Verwaltungsstelle der Neuapostolischen Kirche (NAC) in FREETOWN. Zudem war Anthony NGEGBAI besonders in der Anfangszeit für mich als zuverlässiger Berater und aktiver Unterstützer unverzichtbar. Auf meinen Vorschlag hin wurde er von 2005 bis 2015 von der Neuapostolischen Kirche in Freetown als Technischer Leiter beschäftigt. Während dieser Zeit wurde er auch in hervorragender Weise für die technischen Belange der HfL-Projektarbeit tätig.
Seit Juni 2021 ist es nun die Aufgabe von Anthony NGEGBAI, mit mir in Deutschland über Internet und Telefon Kontakt zu halten und in Zusammenarbeit mit den beiden CORD-Ältesten Dauda MANSARAY und Alie KAMARA vor Ort die Fertigstellung der Station in BUNDULAI zu organisieren und zu koordinieren. Dazu gehört der zielgerichtete Einsatz und die Betreuung des CORD-Personals (Maurer und Helfer), Einkauf von Baumaterialien und Werkzeugen, Durchführung von diversen Transportaufgaben und Einsatz der Dorfbewohner für Hilfsarbeiten
Die finanzielle Abwicklung der Projektarbeit führe ich in Abstimmung mit der HfL-Schatzmeisterin direkt mit Anthony NGEGBAI und den CORD-Ältesten durch. Zur Übersicht und für spätere Abrechnungen wurden entsprechende Formblätter entwickelt. Die Löhne für die beteiligten CORD-Mitarbeiter werden anhand von Lohnlisten halbmonatlich vom CORD-Ältesten Alie KAMARA vor Ort ausgezahlt. Die Ausgaben für erforderliche Baumaterialien, Werkzeuge, Transporte, etc. werden zentral von Anthony NGEGBAI und Alie KAMARA in Ausgabenlisten erfasst.
Beide Listen werden mir nach Erstellung und Unterschrift über Internet zur Prüfung übermittelt. Sind die Ausgaben und Belege schlüssig, kann ich jeweils einen weiteren Geldbetrag für Löhne und Materialausgaben überweisen.
Die Überweisungen werden in überschaubaren Beträgen über WESTERN UNION (WU), dem bekannten Anbieter von Auslandsüberweisungen, durchgeführt. Die Geldbeträge in sierra-leonischer Währung (LSS) können dann von Anthony NGEGBAI oder Alie KAMARA in einem WU-Büro in FREETOWN oder nahe LOKOMASSAMA am Flughafen LUNGI abgeholt werden. Für die Überweisungen fallen geringe Gebühren an. Die Ausführung erfolgt schnell und zuverlässig.
Die Wiederaufnahme der Arbeiten an der Gesundheitsstation in BUNDULAI hatte sich schnell herumgesprochen und bald war ein erster wichtiger Erfolg zu vermelden. Die für die lokale Gesundheitsversorgung zuständige Regierungsstelle hat noch vor der Fertigstellung der Station ein modernes Kühlsystem zur Verfügung gestellt. Mit auf dem Dach installierten Solarpanels wird eine Kühltruhe betrieben, in der die für einen großen
Einzugsbereich benötigten Impfseren und Medikamente gekühlt werden.
Die schon seit vielen Jahren für uns bei ähnlichen Projekten arbeitenden Maurer und Helfer haben in diesem Jahr an den beiden Hauptgebäuden, Behandlungszentrum und Wohnhaus, nachfolgende Hauptarbeiten ausgeführt: Putzarbeiten an Außen- und Innenwänden, Einbau von bereits im Vorjahr hergestellten und bisher eingelagerten Metalltüren und Metallfenster, Einbringung eines stabilen Bodenbelags aus Betonestrich, provisorischer Grundanstrich der Innenwände mit Kalkfarbe und Einbau von umlaufenden Regenwasser-Ablaufkanälen um die Hauptgebäude. Der Endanstrich der Außen- und Innenwände mit farbiger Dispersionsfarbe bzw. Ölfarbe wird zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt.
Zur Verbesserung der allgemeinen hygienischen Verhältnisse für den Bereich der Gesundheitsstation wurden 2 Toilettenhütten mit Wasserversorgung und Anschluss an Fäkaliengruben gebaut, eine Hütte für die Patienten in der Nähe des Behandlungszentrums und eine für die Krankenschwestern in der Nähe ihres Wohnhauses.
Die Arbeiten sind inzwischen fast abgeschlossen, sodass der Umzug von der alten Station zur neuen bald durchgeführt werden kann. Die Übergabe der neuen Station ist für Anfang Dezember 2021 geplant. Sie soll als besonderes Ereignis mit einer eindrucksvollen Feier unter Teilnahme des zuständigen District Medical Officer (DMO), von Section Chiefs, Community Elders und der Bevölkerung aus dem Einzugsbereich der Station stattfinden. Bei der Übergabe wird das neue Behandlungszentrum nahezu voll funktionsfähig sein und den Patienten auch durch seine Bauweise mehr Vertrauen in die medizinische Versorgung geben. Die Krankenschwestern werden mit Familie in ihre neuen Wohnungen eingezogen sein und erstmals einen Komfort genießen können, den sie bisher in ihrem verantwortungsvollen Beruf nicht kannten. Dazu beitragen wird auch der zur Station gehörende bereits im vergangenen Jahr gebaute Brunnen, der seitdem frisches Trinkwasser liefert.
Der HfL e.V. hat erstmals ein größeres Projekt unter „Fernaufsicht“ weitergeführt und mit den vor Ort eingesetzten lokalen Verantwortlichen erfolgreich zu Ende geführt.